Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung
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Koblenz und Cartagena als EU-Projekt

Koblenz/Cartagena. Festung, Universität, Hafen und ein reiches archäologisch-kulturelles Erbe: Obwohl Koblenz und das spanische Cartagena auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben, bilden diese Faktoren eine Klammer, die beide regionalen Zentren miteinander verbinden. Eine Städtepartnerschaft gibt es nicht, wohl aber ein EU-Projekt, das dazu beitragen soll, ein Kernproblem beider Städte zu lösen: Die Konversion ehemals militärisch genutzter Flächen.

 

Neun Städte aus neun Ländern haben sich im Rahmen des EU-Projektes MAPS zusammengeschlossen. Das Kürzel steht für Military Asset as Public Spaces. Kurzum: Es geht um die Umwandlung von militärischen Brachen. Dies sind in der Regel gewaltige Kasernenareale, die nicht mehr genutzt werden, und eben um historische Festungsanlagen, die ein einer neuen Nutzung zugeführt oder zumindest für ein breites Publikum neu inszeniert werden sollen. Vor diesem Hintergrund trafen sich jüngst Stadtentwickler in Cartagena. Mit dabei: Oliver Hoffmann vom Büro Europa Direkt beim Koblenzer Amt für Wirtschaftsförderung. Der Stadtplaner wird auch das nächste Treffen der internationalen Arbeitsgemeinschaft vorbereiten, das im Dezember in Koblenz stattfinden soll.

Ähnlich wie Koblenz wird Cartagena von einem Befestigungssystem geprägt. Der Unterschied: Die bedeutende Hafenstadt in der Region Murcia, die weit im Südosten Spaniens an der Costa Calma liegt, wird von Systemen unterschiedlicher Zeitstellung "geschützt". Im Rahmen des EU-Projektes konzentrieren sich die Stadtentwickler auf den jüngsten Teil der Festung: Das auf den Höhen eines Problemviertels gelegene Fort Los Moros, das im Zuge des Ausbaus des Hafens zum führenden Marinestützpunkt  im 18. Jahrhundert errichtet wurde, um die ganze Stadt im Falle eines Angriffes schützen zu können.

 

Auch wenn die Anlage heute nur noch als Ruine besteht, bietet sie nach wie vor einen imposanten Anblick. Das Problem: Das Monument wurde im Laufe der Zeit regelrecht “abgehängt” und erst in jüngster Vergangenheit neu entdeckt. Die Situation ähnelt der im Fort Konstantin zu Beginn der 90er-Jahre. Wildwuchs und Abfälle müssen beseitigt, die zentralen Zugänge so gesichert werden, dass die Anlage touristisch erschlossen werden kann, um das Image eines  “No-Go-Areas” abzulegen. Wünschenswert ist das auch deshalb, weil von dort ein herrlicher Blick auf die gesamte Hafenstadt möglich ist. Deren historisches Zentrum mit karthagischen Wurzeln wurde einst auf fünf Hügeln errichtet.

Bis eine Lösung in Sicht ist, müssen noch dicke Bretter gebohrt werden. Denn in Cartagena laufen derzeit mehrere Großprojekte, die die Stadtentwicklung nach vorne bringen sollen. Infolge der in jeder Kommune begrenzten finanziellen Möglichkeiten müssen naturgemäß Schwerpunkte gebildet werden.

 

Erst vor wenigen Jahren wurde der Verkehr aus der Altstadt herausgenommen, die Plätze neu inszeniert und der Straßenraum neu gestaltet - mit bunten Steinen aus der Region, die, poliert, einen edlen Kontrast bilden. Gleichzeitig wurde mit der Sanierung der historischen Bausubstanz begonnen. Frei geräumte Parzellen mit den “herausgeschälten” Fassaden prägen etliche Stellen der Altstadt. Einen starken Kontrast bilden die liebevoll in Szene gesetzten historistischen Gebäude, die im späten 19. und vor allem im frühen 20. Jahrhundert erbaut wurden. Typisch sind die die vielen Jugendstil-Elemente in den Außen- und Innenbereichen. Ergebnis: Cartagena erfüllt heute alle Positiv-Vorurteile über Spanien, zumal das gastronomische Angebot groß ist.

Die zentrale Herausforderung der vergangenen Jahre war jedoch die Integration des reichen archäologischen Erbes in das Stadtbild. In diesem Punkt dürfte Cartagena für viele Städte ein Vorbild sein. Einheitliche Beschilderungen und Wege, Lichtinszenierungen und Schutzgebäude für die Reste der historischen Substanz, die bis in die Römerzeit zurückreicht - und punktuell sogar das Erbe Karthagos aufblitzen lässt. Dazu kommt eine stadtgeschichtliche Sammlung in der aus dem 11. Jahrhundert stammenden Burg. Das Glanzlicht ist jedoch das römische Theater, das erst 1988 entdeckt wurde und heute über ein Museum zugänglich ist, das europaweit Maßstäbe setzt (siehe eigener kleiner Beitrag zum Thema). Dies alles ist kein Selbstzweck. Die örtliche Verwaltung weist gerne darauf hin, dass der Kulturtourismus eine zunehmende Bedeutung für die Stadt hat.

Die im Spanischen Bürgerkrieg zerstörte Kathedrale und das römische Theater. Repro des Luftbildes im archäologischen Museum der Stadt.

Es bleibt ein zentraler Punkt: Die Neuentwicklung von Brachen - eine Herausforderung für die kommenden Jahrzehnte. Denn Cartagena wächst. Die Einwohnerzahl ist binnen 15 Jahren von 186.000 auf 216.00 gestiegen. Das liegt unter anderem auch an der Zuwanderung aus Nordafrika. Und dann gibt es noch die große Minderheit der Gitanos, die sich vor allem im Stadtteil Los Mateos konzentriert. Diese Gitanos gehören vor allem zur Gruppe der spanischen Roma. Deren Angehörige nennen sich selbst Kalé. Diese Gruppe lebt  bereits seit dem 15. Jahrhundert in Spanien und ist sesshaft geworden. 

 

Das Beispiel der Kalé zeigt, dass man mit übertriebener politischer Korrektheit nicht weiter kommt. Der neue deutsche “Sammelbegriff” Sinti und und Roma funktioniert in Cartagena beim besten Willen nicht. In Spanien leben aktuell 700.000 Gitanos, gut die Hälfte von ihnen in Andalusien. Und der Weg von Cartagena nach Andalusien ist nicht so weit, was vielleicht auch die traditionell starke Präsenz der Kalé in der Hafenstadt erklären könnte.

Wenn man diese Hintergründe kennt, kristallisiert sich schnell heraus, dass Fort und Stadtteil nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Das Baudenkmal könnte sogar zu einem Identifikationsobjekt und Ausgangspunkt zur geordneten Entwicklung eines ganzen Stadtteils sein, der sich aktuell infolge wilder Bebauung unaufhaltsam in den Festungsberg zu fressen scheint. Erklärtes Ziel der Stadtverwaltung ist es, den Stadtteil neu zu ordnen und das Fort touristisch zu erschließen. Die Situation ähnelt den früheren Verhältnissen auf dem Asterstein - nur mit dem Unterschied, dass die Situation in Cartagena einige Nummern größer ist. Da auf dem Asterstein die Probleme mit der Wohnbebauung gelöst sind, kann man sich in Koblenz den Luxus erlauben, die Neuinszenierung des Forts sehr konkret zu betreiben. Mittel für die Neugestaltung des Umfelds aus dem Bundesprogramm für heraustragende Stätten des Städtebaus stehen bereit - das Projekt MAPS ist jetzt quasi das Tüpfelchen auf dem i. Die Stadtplaner aus den Partnerländern sollen nun auch in Koblenz ihre Ideen einbringen.

 

In einem Punkt ist Koblenz der spanischen Hafenstadt voraus: Das öffentliche Bewusstsein für den besonderen kulturellen Wert der neuzeitlichen Befestigungsanlagen ist seit den 90er-Jahren systematisch entwickelt worden. In Cartagena muss man noch daran arbeiten. Die Stadtverwaltung hat Sport als Instrument erkannt. Das Fort ist eines der Ziele von Extrem-Wanderungen oder Mountainbike-Touren. Doch dies reicht bei weitem nicht aus, um auf Dauer etwas zu verändern.

Mit Blick auf den gesamten Stadtteil gibt es ein Netzwerk, das in etwa mit dem im Rahmen des Programms Soziale Stadt vergleichbar ist. Kirchliche Träger und andere Partner, darunter auch diejenigen, die die Interessen der Kalé vertreten, sind hier integriert, wobei es auch ein starkes ehrenamtliches Engagement gibt. Pedro Martinez Hortelano ist einer von denjenigen, die sich ohne Honorar engagieren. Der frühere Rechtsanwalt ist der Koordinator des örtlichen Netzwerkes, das immer wieder von sich reden macht. Dennoch: Eine Bürgerbewegung ist dieses Netzwerk noch lange nicht.

Der frühere Rechtsanwalt Pedro Martinez Hortelano ist Koordinator des örtlichen Projektes.

Bevor überhaupt über realisierbare Pläne und deren Finanzierung gesprochen werden kann, muss aus Koblenzer Sicht eine übergreifende Begeisterung für die kommenden Projekte entfacht werden. Festung und Stadtteil als Motiv für eine starke Bürgerbewegung: Die Koblenzer Buga hat gezeigt, dass dies durchaus möglich ist. Und die örtlichen Initiativen und Vereine für den Erhalt der Festungsanlagen haben bewiesen, dass sogar effektive, von Ehrenamtlern ausgeführten Räumungs- und Sicherungsmöglichkeiten möglich sind. In Cartagena dagegen müssen solche Strukturen erst geschaffen werden.

 

Es gilt also, die Neugier zu entfachen. Das war auch die Aufgabe der internationalen Gruppe von Stadtplanern und Wirtschaftsfördern. In verschiedenen Workshops wurden die ersten Schritte herausgearbeitet. Naturgemäß ging es dabei zunächst darum, Sicherheit zu schaffen - durch Räumung, Erschließung und - zunächst provisorische - Beleuchtung des Areals. In einem zweiten Schritt könnten örtliche Führungen und kleine Vorträge auf dem Festungsgelände folgen, um das Interesse der Medien zu erwecken, vor allem aber, um eine breite Öffentlichkeit von der Notwendigkeit der Neuinszenierung zu überzeugen. Wichtig ist es dabei, die Anlieger der umliegenden Stadtteile zu integrieren. Dies könnte zum Beispiel über kleine Konzerte erfolgen, die keinen großen technischen Aufwand erfordern. Angedacht ist die Integration der Gitanos aus der Nachbarschaft. Auch hier könnte das Koblenzer Beispiel Pate stehen.

Die aufgezeigten Fakten zeigen: Es braucht eine Politik der kleinen Schritte und vor allem einen langen Atem. Denn die ganze Region ist längst nicht so dicht besiedelt wie die Rheinschiene. Das bedeutet auch, dass gleich mehrere Militär- und Industriebrachen in Konkurrenz zueinander stehen. Denn obwohl das Militär in der Region immer noch stark präsent ist, sind auch in der Region Murcia die Folgen des Strukturwandels deutlich zu erkennen. Die in diesem Zuge entstandenen Freiräume sind gewaltig, sodass ein strenges Flächenmanagement nicht erforderlich erscheint.

 

Doch genau dieses Flächenmanagement ist erforderlich, um Räume gezielt entwickeln zu können - so auch im Stadtteil Los Mateos, der in weiten Teilen von sehr einfachen Unterkünften geprägt wird, die im Zuge einer umfassenden Stadtteilsanierung ersetzt werden müssen. Auch in diesem Punkt sind die Verhältnisse vergleichbar. Das Beispiel des Areals Fritsch-Kaserne, dessen Neuerschließung 2018 beginnen soll, mag an dieser Stelle genügen.

 

Für Cartagena und die anderen Teilnehmerstädte des MAPS-Projektes wird es nun darum gehen, die nächstliegenden kleinen Schritte einzuleiten. Dazu müssen viele Rahmenbedingungen geklärt werden - etwa in Kooperation mit den zuständigen Polizeibehörden. Denn so manche Vision von Veranstaltungen - auch wenn sie sehr klein sind - ist an Sicherheitsbedenken und den damit verbundenen strengen Auflagen gescheitert. Im Falle von Cartagena kommt hinzu, dass das Fort trotz der direkt benachbarten Stadtteile Los Mateos und Santa Lucia sehr isoliert dasteht. Das bedeutet, dass zunächst die Zuwegung deutlich verbessert werden muss. Dies ist die wichtigste Grundlage, um kleinere Reparaturen einzuleiten und die ersten Informationsveranstaltungen möglich zu machen. Die Parallelen zum Koblenzer Fort Asterstein liegen auf der Hand. Zwar sind hier bereits Veranstaltungen möglich (wovon bereits rege Gebrauch gemacht wurde), doch muss auch hier die An- und Einbindung verbessert werden. Dies wiederum ist die Voraussetzung für den nächsten Schritt: Die konkrete Nutzung des Baudenkmals. Denn ohne eine Nutzung haben Baudenkmäler keine Zukunft.

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